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Trampen im 20. Jahrhundert

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Trampen im 20. Jahrhundert

Vor kurzem Monaten erreichte mich eine nette Email, ob ich mir vorstellen könne, ein Buch über das Trampen zu rezensieren. Ich selbst habe nur einmal in meinem Leben den Daumen nach draußen gehalten und danach beschlossen, dass dies nicht meine Form der Fortbewegung ist. Umso erwartungsvoller war ich, was eine taffe Frau schreiben würde, die keinen Führerschein besitzt und bereits seit über 40 Jahren per Anhalter durch die Welt reist.

Inhalt laut Verlagshomepage

Bücher über das Thema Trampen sind selten, erst recht eines, das von einer Frau geschrieben wurde.

Barbara Noske ist eine begeisterte Tramperin. Sie bevorzugt Lastwagen und hat mehr als vierzig Jahre Erfahrung mit dem Reisen per Anhalter u.a. durch Europa, Algerien, die Sahara und die unermesslichen Weiten Kanadas und des australischen Outback.

In ihrem Buch, das sich zwischen Leichtigkeit und tödlichem Ernst bewegt, geht es um das echte Trampen, wie es dies im 20. Jahrhundert vor der Zeit von Smartphone, Google, Apps und Airbnb noch gegeben hat.

Noske bezeichnet das Trampen als „Anarchist unter den modernen Arten des Reisens“. Sie berichtet von bizarren Abenteuern, überraschenden Begegnungen und auch von einigen unangenehmen oder sogar schockierenden Begebenheiten, die ihr widerfahren sind.

Barbara Noske ist eine niederländische Anthropologin und Philosophin. Ihr Forschungsgebiet sind die Beziehungen und Ähnlichkeiten zwischen Menschen und Tieren. Sie wohnt mit einem Pferd und einem Fahrrad zwischen Wäldern und Wiesen im Norden der Niederlande und besitzt weder Führerschein noch Smartphone.

Meine Meinung

Barbara Noske ist eine sehr erfahrene und überzeugte Tramperin. Man spürt in jedem Satz ihre Leidenschaft für diese (meist kostenfreie) Art der Fortbewegung. Doch leider kommt sie mir an manchen Stellen auch etwas “übermotiviert” und schulmeisterlich vor.

Ins Buch hereinzukommen war anfangs etwas schwierig. Ich musste mich erst an den Schreibstil gewöhnen. Gedanklich springt Noske gelegentlich hin und her. Da ist es nicht immer einfach zu folgen. Das wurde besser, nachdem ich mir vorstellte, sie würde auf einer Bühne stehen und referieren. Sie schreibt, wie man spricht.

Das Buch ist in 7 Kapitel gegliedert, die meist wenig über den danach folgenden Text verraten. Am Anfang finden sich sozusagen die “Grundlagen” des Reisens per Anhalter über Kleidung, sichere Schlafstätten, den Tramper-Kodex und gute “Einsammelorte”.

Zitat: “Wenn man unterwegs ist, sind solche Qualifikationen [Anmerkung: es geht um Titel, Berufe, Positionen…] völlig irrelevant für das, was man da tut, und für die Art und Weise, in der man von anderen gesehen wird. Es steht da kein Name oder Beruf, der trampen will, es steht da eine Person in einem Körper.” und weiter “Die Elemente diskriminieren nicht.”

Somit wirbt Frau Noske für Toleranz und Offenheit. Leider zeigt sich in späteren Kapiteln, dass sie selbst nicht in allen Fällen so tolerant ist, wie sie es von anderen fordert. Sie schert durchaus Menschen über einen Kamm, indem sie behauptet, dass Frauen angeblich nie anhalten. Sicher war dies ihre Erfahrung, aber die ist subjektiv.

Am liebsten spricht Frau Noske LKW-Fahrer an Rasthäusern direkt an. Damit ist sie sehr erfolgreich. Ein bisschen Smalltalk bricht das Eis, man kann sich leicht gegenseitig einschätzen und schon ist man “on the Road”. Teilweise über hunderte von Kilometern. Man hilft sich. Man respektiert sich.

Trampen ist eine Herausforderung, das wird klar. Als Frau ist man durchaus Gefahren ausgesetzt. In den Köpfen von einigen Männern trampen Frauen nur, um ihre sexuellen Dienste anzubieten. Mehr als einmal wird Barbara Noske mehr oder weniger dezent angesprochen und angefasst, aber ihre Erfahrung, ihr Kleidungsstil und ihre Ausstrahlung macht schnell klar, dass sie nur von A nach B möchte. Sie ist nicht auf den Mund gefallen. Das sollte man als Tramper ihrer Meinung nach auch nicht sein und da stimme ich ihr zu. Zitat: “Frei sein heißt manchmal auch vogelfrei sein, das ist die andere Seite der Medaille.”

Die meisten Geschichten liegen relativ weit in der Vergangenheit. Es geht um die Fortbewegung in den 70er bis 90er Jahren durch Algerien, die Sahara, Kanada und Australien. Man erfährt viel über die Gastfreundschaft, verschiedene Kulturen und die Lebensweise dieser Menschen. Am besten konnte ich mich im Kapitel über Australien einfühlen, da ich diesen Kontinent selbst bereist habe – wenn auch mit dem Mietwagen – und die Mentalität und Wahrhaftigkeit erleben durfte.

Über Themen, die in anderen Büchern gerne umgangen oder ganz vermieden werden, lässt Barbara Noske sich aus und das finde ich gut. Da wird beschrieben, dass man sich als Frau durchaus Gedanken um die Auffindung eines “stilles Örtchen” macht.

Es gibt einen ungeschriebenen Tramper-Kodex, an den sich (fast) alle halten. Das war mir so noch nicht bekannt und fand ich sehr spannend. Wer vorhat, mit dem Trampen zu beginnen und noch keine oder wenig Erfahrung damit hat, dem sei das Buch als Inspiration angeraten.

Das letzte Kapitel ist recht heftig. Trotz aller Erfahrung, die Frau Noske hat, wird sie zum Opfer. Sie beschreibt, wie sie ihren Frieden schließt und das sie sich dadurch nicht vom Trampen abhalten lässt, sondern nur noch ihrem Bauchgefühl traut.

Ein paar Fragen bleiben offen: Was macht Barbara Noske heute? Warum ist sie persönlich gegen alle andere Arten der Fortbewegung, wo sie selbst doch darauf angewiesen ist, das Menschen einen Führerschein haben und sie mitnehmen?

Fazit

Ich hätte mir mehr Struktur im Text gewünscht, denn das Thema ist spannend. Darüber hinaus wäre es schön, wenn Barbara Noske noch eingeschoben hätte, wie sich das Trampen der 70er und 80er zum heutigen Trampen unterscheidet. Ich selbst kann mich daran erinnern, dass wir als Familie früher ständig an Trampern vorbeigefahren sind. Das war ein alltägliches Bild. Heute sehe ich kaum noch jemand ein Pappschild oder den Daumen heraushalten.

Ich gebe eine Leseempfehlung an alle, die sich mit dem Thema trampen auseinander setzen wollen, die erfahren wollen, welche Beweggründe dazu führen und die eventuell von der Erfahrung profitieren wollen. Lasst euch Zeit beim Lesen und geht chronologisch vor.

Ich glaube, ein Leseabend mit Barbara Noske könnte sehr interessant sein, wenn sie aus ihrem großen Erfahrungsschatz erzählt. Ich stelle sie mir dabei sehr lebendig und begeisternd vor.

Einen herzlichen Dank an den VA-Verlag, die mir das Buch als Rezensionsexemplar kostenlos zur Verfügung gestellt haben. Ich gebe hier – trotz kostenlosem Exemplar  – meine eigene, aufrichtige Meinung wieder. Evtl. geäußerte Kritik soll nicht verletzen, sondern als Ansporn verstanden werden.


© DieReiseEule 7/2018

4 Kommentare zu „Trampen im 20. Jahrhundert“

  1. Hi Liane
    Nachdem ich notgedrungener Weise in den letzten Monaten 3 x Trampen mußte, fallen mir meine “alten” Erlebnisse zum Trampen auch wieder ein. Was die Authorin schreibt, das Frauen nicht anhalten, liegt daran, das sie eine Frau ist…ich weiß nicht wieso, aber bei gewissen Themen haben Frauen untereinander scheinbar “Berührungsängste”.
    Ich hab mal gezählt und bei mir waren es genau 50 / 50 Männer und Frauen die mich als Mann mitgenommen haben. Und aktuell habe ich drei Mal nach 22 Uhr getrampt und wurde (um das mal gegen die “Meinung” der AFD und deren Anhänger kundzutun ) sogar von einem Syrischen Paketdienstfahrer nach Feierabend mit seiner ukrainischen Beifahrerin mitgenommen, der
    extra abbog und mich ! 8 km Umweg zu meinem AIRBNB Zimmer brachte…
    Also 1 sten : Trampen mit der richtigen Einstellung und dem entsprechenden Gesichtsausdruck ( auch das ist Verkauf ! ) geht immer noch
    und 2tens : Da kann man etwas erleben ! die ersten Male war es fast immer Frauen ! die anhielten

    Alles Liebe und cooler Blog von Dir
    Uwe

    1. Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar und das Lob.
      Ich wünsche dir weiterhin gute Erlebnisse und Begegnungen.

      Herzliche Grüße
      Liane

    1. Hallo Jada,

      bitte sende mir deinen Namen und Adresse per Email an reiseeuleblog(at)web.de. Dann sende ich dir das Buch zu.

      LG Liane

Hau in die Tasten! Ich freue mich sehr über einen konstruktiven Text von dir.

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