[Reisetagebuch] Über den Spreetshoogte-Pass und Solitaire nach Weltevrede

Der zweite Tag in Namibia

Nach einem ausgiebigen Frühstück packen wir alles zusammen und verstauen das Gepäck im Toyota. Der Abschied von der Farm fällt nicht leicht. Wer darf heute vorne links neben Gustav sitzen? Ich!

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Beste Aussicht im Frontbereich

Wir fahren an der Railwaystation von Rehoboth vorbei. Diese liegt etwa 15 km außerhalb. Dabei entdecken wir auf der Spitze eines Kameldornbaums einen imposanten Vogel. Es handelt sich um einen Kampfadler (Polemaetus bellicosus).

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Diese Greifvögel leben südlich der Sahara. Die Weibchen sind größer als die Männchen. Die Spannweite der Flügel beträgt durchschnittlich 2 m. Wir sehen das, als er seine Schwingen ausbreitet und sich in die Lüfte erhebt.

Für Fotos hält Gustav gerne an. Nach den Eseln, die am Straßenrand weiden, erblicken wir mehrere Nester an den Telegrafenmasten. Was ist das? Wer baut die? Es sieht aus, als wenn jemand Stroh hochgeworfen hätte, aber das ist ja wohl nicht möglich.

Die Erklärung folgt gleich, doch zuerst ein paar fotografische Eindrücke von der Fahrt.

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Ein paar Kilometer weiter sehen wir ein riesiges Nest in einem Baum. Das nimmt Gustav zum Anlass, anzuhalten und uns die Unterseite zu zeigen. Webervögel sind die Baukünstler. Sie fliegen von unten ein, damit das Nest bei Regen nicht durchfeuchtet.

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Leider haben die Vögel noch nicht kapiert, dass es nicht möglich ist, unendlich anzubauen. Daher fallen manchmal zu schwer gewordene Nester herunter und die Bewohner müssen einen Neubau anstreben.

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Als nächstes läuft uns eine große Herde der typischen, mageren Rinder über den Weg. Gustav erklärt, dass es den afrikanischen Ureinwohnern bei den Rinderherden nicht ums Fleisch ging bzw. geht, sondern um die Größe der Hörner. Je prachtvoller diese sind, desto höher ist auch der Status des Besitzers. Häufig sind diese Rinderherden auch die Mitgift der Frauen.

Da es in einigen Teilen Namibias stark geregnet hat und einige Straßen überflutet sind, fahren wir heute nicht die ursprünglich anvisierte Strecke, sondern über den Spreetshoogte Pass. Darüber bin ich gar nicht unglücklich, denn das Panorama das sich uns nun bietet hätte ich ungern verpasst.

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Am höchsten Punkt halten wir mit unserem Toyota auf einem Parkplatz an. Hier brennt die Sonne erbarmungslos auf uns runter. Würde nicht ein laues Lüftchen wehen, würden wir es kaum aushalten können.

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Wir nehmen ein Picknick zu uns, während gelegentlich andere Touristen in ihren Wagen mit Dachzelten kommen und gehen. Ich lasse meinen Blick über den Namib-Naukluft-Park schweifen und fühle mich ziemlich klein und unwichtig im Rad der Geschichte.

Welch ein Pionier war der Namensgeber des Passes Nicolaas Spreeth, ein Farmer der in den 1940er Jahren die Vision hatte, eine Straße über einen der steilsten Gebirgspässe Namibias zu bauen. Natürlich aus Eigennutz, damit Güter einfacher zu seiner Farm transportiert werden konnten, aber auch, weil er die schönste Aussicht für alle zugänglich machen wollte.

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Mit Leidenschaft, Willenskraft und bestimmt viel Muskelkater schleppte und bearbeitete er Steine und pflasterte so diese Straße, die über 1600 Höhenmeter überwindet. Bis zu 22% Gefälle bzw. Steigung haben manchen Stellen. Das stellt eine nicht unbedeutende Gefahr dar und deshalb darf der Pass auch nicht mit Wohnmobilen oder Fahrzeugen mit Anhängern befahren werden.

Mit Gustav haben wir einen erfahrenen und geschickten Fahrer, der uns unversehrt entlang des Abgrunds in die Namib bringt.

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Im Tal öffnet sich dann das Panorama über die Namib-Wüste, die bedingt durch die Regenfälle der letzten Zeit gar nicht so grau-braun-staubig ist, wie ich sie mir ausgemalt hatte. Kleine, zarte Grasbüschel strecken sich der Sonne entgegen. Nun sind wir gleich an der berühmtesten Bäckerei Namibias, in Solitaire.

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Irgendwo im Nirgendwo der Namib taucht plötzlich auf der linken Seite der Name, aus Steinen gelegt auf einem Hügel auf. Noch ist weiter nichts als Wüste sichtbar. Doch kurz danach befindet sich auf der rechten Seite eine kleine Ansiedlung. Solitaire. Eine Farm im Nichts. Bis nach Sesriem sind es noch 83 km. Windhoek ist 250 km entfernt. Die ersten Gebäude des “Ortes” wurden Ende der 1840er Jahre errichtet.

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Heute ist die Lodge für viele Reisende eine wichtige Zwischenstation auf dem Weg zum oder vom Sossusvlei, denn hier befindet sich die einzige Tankstelle im Umkreis vieler Kilometer.

Berühmt ist Solitaire aber aus zwei anderen Gründen. Da sind einmal die historischen Autowracks, die sich um die Lodge verteilen und ein willkommenes Fotomotiv sind. Die Luft ist hier so trocken, dass sie kaum rosten.

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Der zweite Grund ist die von Percy Moose McGregor gegründete Bäckerei, in der man angeblich den besten Apfelkuchen Afrikas verspeisen kann. Das Geheimnis des Rezepts der leicht rosa Apfelstücke, die mit Streuseln überzogen sind, ist wohl seiner Familie zu verdanken und wird natürlich nicht verraten. Ich selbst mag keinen Apfelkuchen und habe ihn deshalb auch nicht probiert. Meine Alternative war ein Kokosküchlein, das wirklich hervorragend mundete.

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Nachdem wir uns alle gestärkt haben, geht es der nächsten Unterkunft auf halben Weg zum Sossusvlei entgegen. Wir sehen die Moonlodge am Ausläufer der Randberge “kleben”, biegen kurz danach links ab und sind in Weltevrede – Weltfrieden angekommen.

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Weltevrede – der Name verrät, dass hier einst Buren das Land besiedelten. Einstmals aus den Grenzgebieten Belgien, Niederlande, Deutschland ausgezogen, hatten sie sich hier angesiedelt und mit der Zeit entwickelte sich eine eigene Sprache – Kap-Niederländisch. Ein Konglomerat aus Deutsch, Belgisch, Flämisch und Holländisch. Die Grundlage für Afrikaans, die noch heute in Namibia gesprochen wird.

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Die Guestfarm hat 12 Zimmer und Campingmöglichkeiten, einen Swimmingpool und eine Bar. Nur dort hat man WLan. Dafür darf man sich am Kühlschrank selbst bedienen. Das Vertrauen in die Gäste ist groß. Einfach aufschreiben, was man entnommen hat und bei Abreise zahlen.

Wir beziehen unser sauberes, niedliches Zimmer mit großzügigem Duschbad und eigener Terrasse. Von dieser aus können wir die Sonne langsam untergehen sehen. Besucher hatten wir dort auch, aber dazu mehr am nächsten Tag.

Wir gönnen uns noch ein Bad im kühlen Pool. Auf einmal tauchte Eduard auf. Jedenfalls taufen wir ihn so, obwohl wir hinterher erfuhren, dass Eduard ein Weibchen ist. Er schleicht sich lautlos an der Steinwand entlang, beobachtet uns kritisch, denkt sich wahrscheinlich sein teil und schreitet dann seiner Wege.

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Eduard – das Agamenweibchen

Nachdem Anita und ich diese Auszeit genossen haben, treffen wir uns wieder mit unserer munteren Reisegruppe. Es soll zum nahegelegenen Hügel gehen – ein Sundowner in Form eines leckeren Glases Rotwein erwartet uns.

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Es duftet nach kräftigen Aromen, frieren müssen wir auch nicht, jetzt fehlt nur noch der perfekte Sonnenuntergang bevor wir in unseren Betten verschwinden. Der lässt auch nicht lange auf sich warten. Langsam taucht die Steppenlandschaft in einen Ockerton ein und der Himmel verfärbt sich.

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Es beginnt blass-gelb-orange, steigert sich zu einem intensiven, volltönigen Orange mit Rot und dann sieht es aus als wenn der Horizont und die Wolken brennen würden. Wir kommen aus dem Staunen gar nicht mehr raus.

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Zwischendurch genieße ich einfach die Farbgewalt. So einen Sonnenuntergang an meinem Geburtstag, wenn wir in Swakopmund sind – ja, das hätte was. Anita findet das auch. Wir frotzeln ein wenig herum und machen unsere Späße. Anita bittet Gustav, sich darum zu kümmern. Dieser greift zum Telefon und organisiert irgendetwas. Wir gehen davon aus, dass er unseren Spaß versteht und so tut als könne er das hinbekommen.

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Wir steigen in der Dämmerung ab, damit wir nicht im Dunkeln über die Felsen klettern müssen, denn ruckzuck ist es dunkel. Und dunkel heißt hier dunkel! Nicht blassdunkel, sondern schwarzdunkel.

Morgen soll es zum Deadvlei und Sossusvlei gehen. Wir müssen früh aufstehen, damit wir das tolle Farbspiel der morgendlich angestrahlten Dünen sehen können. Daher sage ich jetzt mal “Gute Nacht”.

Ein Gefällt mir und/oder ein Kommentar ist der Applaus des Bloggers. Ich freue mich sehr darüber. Habt ihr selbst Erfahrungen ähnlicher Art in Namibia gemacht? Habe ich eure Sehnsucht geweckt?

Aus Schutz der handelnden Personen der Reisegruppe sind die Namen künstlerisch angepasst.


© DieReiseEule 7/2018

8 Kommentare zu „[Reisetagebuch] Über den Spreetshoogte-Pass und Solitaire nach Weltevrede“

    1. Konnte da eigentlich nur ein Wort schreiben, das sagt alles aus – faszinierende Fotos, tolle Reisen. Ich finde toll, dass Du dir den Traum vom REISEN erfüllst. Echt super.
      Alles Gute, bleib GESUND und komm immer wieder gut heim…

    2. Oh. Du bist so lieb.
      Danke für die guten Wünsche. Ich hoffe für dich auch nur das Beste.

Hau in die Tasten! Ich freue mich sehr über einen konstruktiven Text von dir.

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