Wenn frühes Aufstehen Sinn macht…
Der Wecker klingelt unbarmherzig. Kriiinnng, kriiinnng, kriiinnng. Am liebste würde ich mich nochmal umdrehen und einkuscheln. Doch um 6.20 Uhr ist Abfahrt angesagt und vorher brauche ich auf jeden Fall noch mindestens eine Tasse Kaffee, besser zwei oder drei. “Ich oder du?”, ist die typische Frage, wer zuerst die Dusche aufsucht. Zum Glück sind Anita und ich beide keine Beautyqueens, die morgens zuerst Spachtelmasse aufbringen, Kriegsbemalung anlegen oder lange Sitzungen abhalten müssen. Da schlafen wir lieber ein paar Minuten länger.
Wir sind die ersten im offenen Speisesaal. Nach und nach trudeln Thekla, Heidi und Kurt ein. Gustav kommt meist erst, wenn wir alle versammelt sind. Da er aber den Schlüssel zum Kleinbus hat, darf er sich das natürlich erlauben. Und dann geht es los. Dem Sonnenaufgang entgegen. Der Namib-Naukluft-Park öffnet seine Tore nicht vorher. Nur Gäste die in der Lodge oder der Campsite übernachtet haben, dürfen eine Stunde früher los.

Wer es nicht gesehen hat, war nicht in Namibia
Bis zum berühmten Sossusvlei liegen etwa 60 km vor uns. Hier ist die Straße geteert und sieht super neu aus. Kein Rütteln, kein Schütteln, keine Staubfahnen von vorausfahrenden Fahrzeugen. Aber eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60km/h – doch wer will da auch durchrasen? Es ist viel zu spannend. Allein für die sagenhafte Straße lohnt sich fast der Eintrittspreis in den Namib-Naukluft-Park von N$ 80,- p.P + N$ 20,- für das (max 10sitzige) Fahrzeug. Kinder unter 16 Jahren sind frei.

Der Morgennebel und die Kälte legen sich langsam. Ja, kalt. In der Nacht kühlt es stark ab und eine Strick- oder Fleecejacke ist durchaus von Vorteil.
Wir fahren hinter anfangs Konvoi und mir schwant nichts Gutes, doch schnell verläuft sich die Autokarawane. Ab und zu hält ein Wagen am Straßenrand, um erste Aufnahmen im Kamerakasten einzufangen. Gustav will erst kurz vor der bekanntesten Düne 45 anhalten. Er verspricht uns eine Überraschung. Wir sehen Heißluftballons aufsteigen. Leider haben wir durch die enge Taktung unsere Reiseroute nicht die Zeit dafür. Es muss sensationell sein, lautlos über die Sandberge zu gleiten.

Die Sonne steigt schnell auf und wir wollen noch ein paar coole Bilder der großen Sandberge einfangen. Daher knipse ich aus dem fahrenden Auto und warte mal ab, was dabei herauskommt. Die Bilder sind besser, als ich vermutet habe und sie spiegeln die ungeschönte Realität abseits des Perfektionismus eines professionellen Fotografens wieder. Der bin ich nun mal nicht, auch wenn ich mir sonst viel Mühe bei der Bildgestaltung gebe.








Endlich halten wir links an. Inzwischen ist es etwas wärmer geworden. Wir sehen in der Ferne die abgestorbenen Bäume, die ein interessantes und doch schon so oft gesehenes Postkartenmotiv abgeben. Unweit stehen grüne Bäume. Spannend, dass Tod und Leben so nah beieinander sind.
Sagenhafte Steine
Gustav möchte uns aber noch etwas ganz anderes zeigen: Steine.
Hä? Steine? Die liegen dort doch überall herum. Was soll daran so spannend sein, fragst du dich? Ja dann sieh dir diese Steine mal an. Sie erinnern mich an Gehirnwindungen. Tiefe Furchen umschließen den gesamten Körper. Das ist der Erosion zu verdanken. Oder sie sind so abschliffen, dass sie komplett rund sind und wie Knödel aussehen.
Sie liegen nur an einer bestimmten Stelle, bevor man zur Düne 45 kommt. Gustav erzählt uns, dass er immer einen dieser Steine in der Hosentasche hat. Sollte er einen anstrengenden Tag oder “nervenfordernde” Kundschaft haben, so reibt er drüber. Dabei entspannt er sich und erdet sich wieder. Andere atmen einfach tief durch.


Stellenweise sehen wir Tierspuren von Oryxen, verschiedenen Vögeln und ein paar nicht identifizierbaren Tieren.
Langsam macht sich Hunger bemerkbar. Richtig gefrühstückt haben wir heute morgen noch nicht. Also wird der Klapptisch ausgepackt, aufgestellt und dann gibt es einen leckeren Imbiss. Nebenbei machen wir noch Schattenbilder, versuchen erfolglos einen geschützten Pinkelplatz zu finden und dann geht an Düne 45 vorbei Richtung Sossusvlei.




Am 4×2 Parkplatz stellen wir unser Gefährt ab und steigen in einen der offenen Geländewagen um.
Sossusvlei
Wer weiter möchte, hat mehrere Möglichkeiten. a) Man steigt – wie wir – auf ein 4×4 Shuttle um (Ticket kostet N$ 130 p.P für Hin- und Rückfahrt) b) Man läuft – kann ich aber nicht empfehlen, es sei denn, man möchte gegrillt werden oder ist ein Kamel, dass ohne Wasser tagelang auskommen kann. Die Strecke bis in die Vlei-Sackgasse beträgt etwa 4 km c) Man hat ein 4×4 Auto, lässt Luft aus den Reifen ab auf 1-1,5 bar, schaltet den permanenten Allradantrieb oder die Wheel Hubs ein, legt einen niedrigen Gang mit hoher Drehzahl ein und dann nicht mehr anhalten. Wir haben einige leere Fahrzeuge gesehen, wo die Fahrer wohl zu unerfahren waren. Unbedingt auch hinter dran denken, die Reifen wieder vor Ort aufzupumpen. Das alles am besten bei der Abholung des Mietwagens im Verleih gleich klären.
Die Fahrer sind echte Freaks. Die haben einen höllischen Spaß daran, mit Vollgas durch den tiefen, weichen Sand zu rasen, sich gegenseitig zu verfolgen und zu überholen und als Sieger des Duells als erste am Ende der Sackgasse anzukommen. Trotzdem habe ich mich keine Minute unsicher gefühlt.
Was ist ein Vlei?

Vlei kommt aus dem Afrikaans und bedeutet Senke oder Pfanne und Sossus bedeutet “blinder Fluss”. Ursprünglich versickerte hier der Tsauchab, obwohl der Atlantik nur rund 50 km entfernt ist. In starken Regenjahren sammelt sich hier das Regenwasser, bevor es langsam versickert und eine Tonschicht zurücklässt.
Dünenwanderung
Wer gut zu Fuß ist, eine unsagbare Aussicht haben möchte und es in der Hitze gut aushält kann Big Daddy besteigen. Die Düne soll mit ca 350 m eine der höchsten Sandberge sein. Es empfiehlt sich frühmorgens dort zu sein, genug Wasser zum Trinken mitzuführen, sich gut vor der Sonne zu schützen und unbedingt eine Kopfbedingung zu tragen. Man glaubt nicht, was man dort alles zu sehen bekommt. Menschen mit Flip-Flops und Sonnenschirmchen. O holla!

Wir steigen erst in der Senke aus und unser Ziel heißt Big Mama, die “kleine Schwester” des Big Daddy. Da Kurt Malheur mit seinem operierten Knie hat, entscheiden er und seine Frau Heidi sich im Schatten eines Baumes auf uns vier – Thekla, Gustav, Anita und mich – zu warten.

Wir cremen uns dick ein, richten das Krönchen – sorry das Hütchen -, schultern die Tagesrucksäcke, verabschieden uns und stapfen durch den nachgiebigen, unerbittlichen, traumhaft schönen, orangefarbenen Sand entlang des Grades. Es ist unglaublich anstrengend. Und unglaublich schön. Wir nutzen jede noch so kurze Verschnaufpause, um einen Rundblick auszukosten.

Doch etwa auf der Hälfte bis zum Gipfel kann Anita einfach nicht mehr. Ihr ist übel, sie hat kalte Schweißperlen auf der Stirn und fühlt sich unheimlich schwach und zittrig. Droht ihr etwa ein Sonnenstich? Wir geben Gustav und Thekla Bescheid, dass wir abbrechen werden. Ich habe Angst, dass Anita es alleine nicht zurück schafft. Sie ist meine Freundin. Also werde ich sie nicht allein gehen lassen. Sie hat mir in den schwersten Zeiten meines Lebens beigestanden, alles stehen und liegen lassen, wenn ich sie brauchte, also werde ich es genauso halten. Was wäre ich sonst für eine Freundin?

Die Dünen sind auch von unten imposant und einzigartig. Wir laufen im gemäßigten Tempo zurück, trinken schluckweise unsere angewärmtes Wasser und nutzen den ersten, besten Busch zum Unterstellen. Langsam kehrt Farbe in Anitas Gesicht zurück. Wir plauschen noch ein bisschen, nutzen die Zeit für ein (schreckliches) Selfie und laufen ganz in Ruhe zu Heidi und Kurt.

Eulen
DieReiseEule kann hier das erste Mal die echten Verwandten sehen. Im Baum hat sich ein Pärchen versteckt. Herr Eule sitzt links und schaut neugierig von oben herab, Frau Eule sitzt rechts und würdigt uns keines Blickes.

Während wir warten, kommen auch noch andere Vögel vorbei und suchen nach fallen gelassenen Brotkrumen. Leider haben sie kein Glück. Endlich gesellen sich auch Thekla und Gustav wiederum zu uns und der nächste Rücktransport ist unserer. Umstieg in den Kleinbus und dann fahren wir Richtung Sesriem.

Wir legen einen kurzen Stop an der Gedenktafel ein, die zwecks Ernennung des Namib-Naukluft-Parks zum UNESCO-Weltkulturerbe installiert wurde.

Sesriem Canyon
Zum Abschluss des Ausflugs wollen wir noch in den Sesriem-Canyon absteigen. Doch zuerst verspüren 5/6 der Gruppe Appetit auf ein spätes Mittagsmahl. Ich muss mich mal kurz ausklinken. Die – Entschuldigung für den Ausdruck – langweilige und kognitiv beeinträchtigte Schwandronade unseres Gespanns aus einem ostdeutschen, an Bayern grenzenden Freistaats, inflammiert meine sensiblen Gehörgänge. Außerdem habe ich endlich einen Kanaldeckel erspäht und wer schon länger meine Berichte liest, hat bereits mitbekommen, dass das Ablichten dieser “Bodenschätze” zu meinen Leidenschaften gehört.

Nachdem ich genug Stille inhaliert habe, begebe ich mich an den gedeckten Tisch. Die Einladung zum Mitspeisen lehne ich ab. Mir ist nicht danach. Kurz danach brechen wir auf zum Canyon. Da es hier loses Gestein gibt, bleibt das Pärchen beim Auto und wir vier steigen hinab in die Kühle des Schattens. Erneut bin ich beeindruckt von der Naturgewalt, die diesen Einschnitt gebildet hat.


Sesriem – der Name bedeutet 6 Riemen. So viele Riemen mussten einst aneinander geknüpft werden, um hier Wasser schöpfen zu können. Nach starken Regenfällen füllt sich auch heutzutage der Canyon mit reißendem Wasser.
Wir steigen wieder aus dem kühlen, ockergelben und nach feuchter Erde riechendem Einschnitt in die gleißende Abendsonne. Dann geht es vor Sonnenuntergang raus aus dem Nationalpark, der über Nacht für Besucher geschlossen ist. Weltevrede wartet auf uns. Wir wollen unsere Terrasse noch etwas genießen und hoffen auf einen weiteren, sagenhaften Sonnenuntergang und – Achtung Spoiler! – wir werden nicht enttäuscht.
Doch zuerst schauen wir uns den kleinen Teich an und entdecken wieselflinke, schreckhafte Eidechsen, die auf einem abgestorbenen Stamm fangen spielen. Wir machen es uns draußen mit einem Windhoek Draught gemütlich und beobachten den sich einfärbenden Himmel.

Danach bekommen wir Besuch auf unserer Terrasse. Ein kleiner , dicklicher Drachenkopf. Weiß jemand zufällig, um welche Echse es sich handelt? Über Suchmaschinen bin ich leider nicht fündig geworden.

Erneut geht ein wundervoller, ereignisreicher Tag mit einem legendären Sonnenuntergang zur Neige. Ich bin verzaubert und glücklich, dass ich hier sein darf, dass es mir gut geht, ich gesund bin und mir diesen Wunsch, Namibia mit meiner Freundin Anita zu bereisen, erfüllt habe.


Mal sehen, was uns morgen erwartet. Dann verlassen wir Weltevrede. Es soll zum Kuiseb-Canyon und dann nach Swakopmund gehen.
Ein Gefällt mir und/oder ein Kommentar ist der Applaus des Bloggers. Ich freue mich sehr darüber. Habt ihr selbst Erfahrungen ähnlicher Art in Namibia gemacht? Habe ich eure Sehnsucht geweckt?
Aus Schutz der handelnden Personen der Reisegruppe sind die Namen künstlerisch angepasst.
© DieReiseEule 7/2018
Danke für den tollen Bericht. Er verkürzt die Zeit bis zur nächsten Tour, leider erst im September 2019.
Die Farm Heimat ist nächstes Jahr dabei.
Der Name des Geckos lautet übrigens: Chondrodactylus turneri (Turner’s gecko)
Herzliche Grüße,
helen
Hallo Helen,
danke für die Info vom Gecko.
Ich wünsche dir eine gute Zeit in Namibia. Ist das dann dein “zweites Mal” oder warst du schon häufiger in Namibia?
Es grüßt
DieReiseEule Liane
Ich war Ende Februar für drei Wochen in Namibia. Lese ich hier dein Bericht, bekomme ich Sehnsucht, diese wundervolle Welt erneut zu besuchen. Danke für Bericht und die wundervollen Fotos.
Vielen Dank, Prisca,
leider war dein Eintrag im Spam gelandet, aber ich habe ihn nun doch noch entdeckt.
Ich hoffe, du liest weiter mit, denn es werden noch ein paar Berichte kommen.
Es grüßt
DieReiseEule Liane
Spannender Bericht und ganz tolle Fotos! Ich hole morgen meinen Reisepass ab! Dann kann ich ja mal in die Planung gehen. 2019 sollte es dann endlich soweit sein, denn für dieses Jahr haben wir schon Pläne und auch feste Buchungen! Freue mich auf weitere Namibia♥Beiträge. Liebe Grüße, Sigrid
Ich freue mich für euch. Dann könnt ihr ja beherzt in die konkrete Planung einsteigen.
Weitere Berichte kommen nach und nach. Und Bilder natürlich auch.
Herzliche Grüße
Liane
Super, vielen Dank. Ich werde mir auch die “Hotspots” mal notieren, die du beschreibst. Wir werden auf jeden Fall eine Reise in einer Kleingruppe (6 Personen) buchen. Ist zwar teurer, aber sicher viel schöner! Erst mal plane ich jetzt unsere WoMo-Reise nach Frankreich (wenn im September nicht grade eine Schlechtwetterphase einsetzt) und danach kümmere ich mich um Namibia! LG, Sigrid
Super schön.
Auch die Steine sehen faszinierend aus. Genial – das springende Pferd.
Grüße auch an Gustav.
Die Steine liegen gut in der Hand, trotz der rauen Oberfläche.
Liebe Grüße