Nochdhessisches Geschnuddel
Nordhessen, das ist nicht nur die Region rund um Kassel, sondern umfasst die Landkreise Schwalm-Eder, Waldeck-Frankenberg, Werra-Meißner, Hersfeld-Rotenburg und Stadt + Landkreis Kassel.
Oft denkt man, dass alle Hessen frankfurterisch sprechen, aber die Nordhessen haben einen eigenen Dialekt. Dieser ist dem nordthüringischen näher als dem Frankfurter Gebabbel. Man sagt den Nordhessen nach, dass sie verschlossen und mundfaul seien, aber das stimmt natürlich nicht. Nur man muss mit den Einheimischen erst warm werden, damit sie sich öffnen. Die Grundhaltung allem Neuen gegenüber ist Skepsis. Hat man die raue Schale geknackt, hat man auf jeden Fall Freunde fürs Leben gefunden.
Wie auch in anderen Regionen ist nordhessisch nicht gleich nordhessisch. Jeder Ort hat seine Eigenheiten im Dialekt.
Meine Empfehlung für mehr Spaß beim Lesen: Erst raten und dann die Erklärung lesen. Dabei darf man gerne den ganzen Familienclan mit einbeziehen.

Wörter, die man kennen sollte
Geschnuddel
Wie oft habe ich in meiner Kindheit und Jugend zu meiner Mutter gesagt, dass ich zum Schnuddeln mit Freundinnen verabredet bin. Dabei war es “in”, sich ins Kinderzimmer zurückzuziehen und einen aromatisierten Tee zu trinken und dann sprachen wir über “Gott und die Welt”.
In Frankfurt wird gebabbelt, in Nordhessen schnuddelt man. Hochdeutsch: Reden, sprechen, diskutieren.
Als zus
“Als zus is’ au was” ist ein häufig verwendeter Satz. Als zus heißt so viel wie immer, ständig.
Mäh honn’s
Wir haben es geschafft, wäre hier die korrekte Übersetzung. Die Nordhessen machen nicht gerne viele Worte.
verkuddseld
Die Haare können sich verkuddseln, aber auch beim Sprechen ist das möglich. Für Haare oder Wollfäden bedeutet es “ineinander verknotet”, beim Sprechen soviel wie “ich habe das was durcheinander gebracht”.
Schmeggewöhlerchen/Schmeckewöhlerchen
Ein Schmeggewöhlerchen ist “alles was gut schmeckt”. Dazu gehören nordhessische Spezialitäten wie die Ahle Wurscht/Worschd, Kirschmichel, Weckewerk, Duckefett, Schmandkuchen….
Gachduffelsobbe
Bleiben wir mal im kulinarischen Bereich. Habt ihr es erkannt? Es geht um Kartoffelsuppe. In Nordhessen wurden deftige Hausmannsgerichte gekocht. Häufig auch aus Resten vom Vortag. Da hart geschuftet wurde, wurden in Nordhessen keine Kalorien gezählt.
Schnuggewergg und Beulchn/Bollchn
Und auch hier geht es ums Essen. Kinder lieben Schnuggewergg. Es handelt sich um Süßigkeiten und Beulchn/Bollchn gab es gerne an Fasching. Es sind keine Beulen, sondern Bonbons.
Dähmlagg/Dämelagg
Wer möchte schon gerne ein Dähmlagg sein? Niemand. Das Schimpfwort bezeichnet ein (männliches) Dummerchen, einen Blödian oder einfach jemanden, der unaufmerksam war.

Ahles Reff
Auch Ahles Reff ist nicht wirklich nett gemeint, sondern eher das weiblich Pendant zum Dähmlagg. Es meint eine alte, hagere, dürre Frau. Früher oft eine alte Jungfer, also eine Person, die Ü 30 noch nicht verheiratet war und wenig Aussicht auf eine Hochzeit hatte.
Kööze
Eine Kööze hat nichts mit “kotzen” zu tun, sondern ist ein Rückenkorb mit Tragebändern, ählich den Körben, die Winzer während der Weinlese nutzen. Damit wurde u.a. Feuerholz aus dem Wald gesammelt und nach Hause gebracht.
‘s schigged
‘s schigged wird meist etwas lauter und mimisch untermalt sehr deutlich gesagt: “Es ist genug. Es schickt.”
querch
“Kumm mir nid querch” – Mach mich nicht schief von der Seite an. Beutung: schief, von der Seite, verkehrt.
Biemm Doggder
“Worsd biemm doggder? – Jo, mäh wor storrstäggelstiff” Auf Deutsch: Warst du beim Arzt? Ja, ich war völlig steif.
Hää
Hää ist ein Universalwort. Je nach Betonung ist es eine Frage oder eine Antwort. “Hää?”, heißt soviel wie “Entschuldigung, ich habe sie nicht verstanden” oder “Was gibt es?”. “Hää!” kann auch “Alles klar, geht in Ordnung”, “Hier” oder “Ich habe verstanden” bedeuten.
iwwer un diwwer
“Sä’s Gsichd is’ iwwer un diwwer med Sommerveele” – Ihr Gesicht ist über und über voll mit Sommersprossen. Das d von und wandert bei dieser Redewendung an das zweite iwwer dran.

Sätze
In Nochdhessen wird t meist zu d und s wird in der Regel weich gesprochen. Aus ck wird gg und b(b) zu ww. Ein r wie in Nordhessen spricht man als ch.
Ganz typisch fangen alle Mädchennamen mit s an: ‘s Anja, ‘s Elke, ‘s Lisa und selbst Vornamen mit S bekommen noch eins dazu: ‘s Susi oder ‘s Sandra. Jungennamen fangen dagegen mit d an: ‘d Ben, ‘d Max und auch ‘d Dieter.
Es kimmet alszus annasder alswie mer denggd
“Es kommt immer anders als man denkt “. Jedem Linguist rollen sich wahrscheinlich die Zehnägel hoch, aber in Nordhessen wird anders zu annasder/annersder/annasda. Und alswie ist eine gängige Art und Weise.
‘s wird sich usswiesn
Das wir sich weisen. Es wird sich zeigen.
Mach nidd alszus so’n Gsums drimmerin
“Mach keinen Aufstand. Ist nicht der Rede wert.” Andernorts ist euch vielleicht schon mal der Ausdruck “Gewese” unter gekommen, welches das gleiche wie Gsums meint.
E ächte Nochdhesse is’ mit Fullewassa g’taufd.
Ein echter Nordhesse ist mit Fuldawasser getauft worden.
Hä hodd sich de Wambbe mitnm Feddenbrod vollgeschlahn
Er hat sich am Fettenbrot überfressen. Fettenbrot ist – je nach Ortschaft – ein Schmalzbrot oder einfach ein Butterbrot.
Wansdrammeln
Ja, nach dem Verzehr von zuviel Fettenbrot kann man schon mal Bauchmerzen bekommen. Es besteht aus den Worteilen Wanst (Bauch) und rammeln (grummeln).

Schmäggeds nidd? Dann such dir was annersder zum schnawwelieren.
“Schmeckt es nicht? Dann such (nimm) dir etwas anderes zum Essen.” Schnawwelieren kommt von schnabulieren.
Ich hoffe ihr hattet Spaß an der Mundart meiner Heimat. Mehr Mundart aus meiner Wahlheimat Mainz findet ihr unter Typisch meenzerisch! 18 Wörter und Sätze, die man kennen sollte
Liane und Herr R.
Willkommen. Ich bin Liane und die Gründerin und Wortjongleurin des Reiseblogs DieReiseEule.
Herr R. ist nicht nur mit mir verheiratet, sondern auch mein Co-Fotograf für ungewöhnliche Blickwinkel.
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Sehr schön, vielen Dank!
Mit den nötigen Fremdsprachenkenntnissen traue ich mich dann ins benachbarte Ausland, wenn ich wieder in Niedersachsen bin. 🙂
Liebe Grüße, Eva