Zu Besuch im Fastnachtsmuseum

Geführte Tour mit Andreas Gladden

Lust auf Mainz? Klar, hab ich, sonst hätte ich nicht die Rubrik [MeinMainz] auf dem Blog. Doch Lust auf Mainz ist auch eine Facebookgruppe. Virtuell und reell treffen sich hier Menschen mit ähnlichen Interessen. Und dort las ich Mitte Juli, dass ein Besuch des Fastnachtsmuseums geplant ist. Ich stand zwar schon mehrmals vor dem beeindruckenden Sandsteinbau, aber drin war ich noch nicht. Entweder, weil Montag war und das Museum geschlossen hatte oder weil ich gerade anders im Kopf hatte.

Fastnachtsmuseum (1)

Dankbar habe ich daher die Einladung zum sommerlichen Kontrapunkt-Programm angenommen und mich mit anderen Interessierten an einem Sonntag Nachmittag am hinteren Eingang des Proviantamtes getroffen.

Transparenzhinweis* Die Reise/Der Besuch war selbst geplant und bezahlt. Niemand hat mich beauftragt darüber einen Bericht zu verfassen. Ich wurde nicht dafür bezahlt. Ich habe keinen geldwerten Vorteil erhalten. Die Beurteilung ist allein auf meinem „Mist“ gewachsen und daher gebe ich auch nur meinen persönlichen, subjektiven Eindruck wieder.

Nach einer kurzen Begrüßung durch Daniela Gönner, Gründerin der Gruppe und Andreas Gladden, unserem Moderator erfuhren wir viele Details über das Fastnachtsmuseum.

Im Fastnachtsmuseum mit Daniela und Andreas
links Daniela, rechts Andreas

Geschichte des Proviantmagazins

Das Proviantmagazin war ursprünglich Lager für Munition und Proviant, aber auch Unterkunft für österreichische und preußische Soldaten. Gebaut wurde es in den Jahren 1863 – 67. Das Gebäude bekam für die damalige Zeit innovative Gewölbedecken von mindestens 1 Meter Dicke. Man wollte nicht riskieren, dass das Holz einem Brand oder der Verrottung zum Opfer fiel. Eine weise Entscheidung. Das Proviantamt ist eines der ganz wenigen, historischen Gebäude, welches sogar den 2. Weltkrieg fast unbeschadet überstand.

Heute befindet sich im vorderen Bereich an der Schillerstraße ein Restaurant und im rückwärtigen Teil befinden sich neben dem Fastnachtsmuseum, welches im Untergeschoss beheimatet ist, noch das Kabarett-Archiv und mehrere Eigentumswohnungen auf sieben Etagen.

Bild zeit Narrenkappen
Typische Kappen der Fastnachtsvereine in den Traditionsfarben

Geschichte der Mainzer Fastnacht

Wo kommt der Begriff Fastnacht her? Ganz ursprünglich bezeichnet die Fastnacht das Fest, welches man am Abend vor der Fastenzeit feierte. Doch im Laufe der Zeit wurde es auf die gesamte närrische Zeit vom St. Martinstag (11.11.) bis zum Aschermittwoch übertragen. Das Wort Karneval geht auf carne vale –Fleisch, lebe wohl – zurück, dass den österlichen Verzicht auf Fleisch beschreibt, zurück.

Wissenswert! In Mainz, dem Elsass, Baden-Württemberg und in der Schweiz heißt es Fastnacht/Fassenacht/Fasnet/Fasnacht. In Bayern, Baden-Württemberg und Nordhessen feiert man Fasching, was sich von Vastschanc – Fastentrunk ableitet. Karneval feiert man in Köln, Düsseldorf, Venedig oder Rio de Janeiro.

Die Mainzer Fastnacht blickt auf eine lange Geschichte zurück. Hier wie auch anderswo wurde am Dreikönigstag das Bohnenfest gefeiert. In einem Kuchen eingebacken galt es eine Bohne zu finden. Derjenige richtete dann ein Fest aus, bei dem die Teilnehmer in getauschte Rollen schlüpften. Der Bohnenfinder wurde zum König, die hohen Herren zum kleinen Mann.

Fastnacht fand im 19. Jahrhundert in den Kneipen von Mainz statt und war allein den Männern vorbehalten. Irgendwann kamen die Mainzer auf die Idee, man könne die Veranstaltungen doch organisieren. Doch warum soll man sich Gedanken machen, wenn man bestehende, funktionierende Konzepte abkupfern kann? So schaute man, was in den anderen Fastnachtshochburgen am Rhein – Düsseldorf und Köln – funktionierte. Das war um 1837/38. Und den Ruf Helau “klaute” man sich auch.

Die ersten Garden

Gardeuniformen

Nachweislich wurde die 1. Mainzer Ranzengarde 1837 gegründet. Mitglieder konnten auch hier nur Männer werden und sie mussten einen Ranzen nachweisen.

Wissenswert! Mit Ranzen war kein “Schulranzen” oder eine andere Tasche gemeint, sondern ein ordentlicher Bauchumfang.

Nur ein Jahr später gründete sich der MCV, der Mainzer Carneval Verein. Dieser ist deutschlandweit bekannt, denn er richtet u.a. die Fernsehsitzung Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht und den Rosenmontagszug aus.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts ging es dann Schlag auf Schlag weiter mit den Gründungen verschiedenster Fastnachtsvereine. Mainzer Kleppergarde, Mainzer Prinzengarde, “Die Bohnebeitel”, Kasteler Jocus-Garde, “Die Schnorreswackler” und wie sie alle heißen.

Wissenswert! Obwohl in Mainz Fastnacht gefeiert wird, haben fast alle Vereine Carneval/Karneval im Vereinsnamen. Den Begriff Fastnacht hat nach meiner Recherche nur der 1982 gegründete Verein Sankt Bernhard Fastnacht im Namen.

Die findigen Mainzer kamen mit der Kommerzialisierung auf die Idee, die Fastnacht zu auch für Fremde (daher auch der Begriff Fremdensitzung) attraktiv zu machen. Man konnte “Pauschalreisen” mit Übernachtung, Verköstigung und Eintrittskarten buchen.

Apropos Eintrittskarten: Es gab – ähnlich den Tanzkarten – runde Pappkärtchen, auf denen verschiedene Veranstaltungen eingetragen waren. Man zahlte dies Karte im voraus und beim Einlass wurde das entsprechende Event gelocht und entwertet.

Die für Mainz berühmten Schwellköpp’ hatten beim Rosenmontagszug 1927 Premiere. Die Schwellköpfe werden von kräftigen Männern getragen, sind um die 25 kg schwer und bereits ohne Träger mannshoch. Jeder Schwellkopp hat seinen eigenen Namen und seine Geschichte. Bis zu 7000 Euro kostet die Figur, die aus Pappmaché und Styropor hergestellt ist. Die Marke ist geschützt. Wegen eines vorhergesagten Sturms waren die Schwellkopp-Träscher 2019 das erste Mal ohne die berühmten Köpfe unterwegs. Inzwischen gibt es sogar Kinnerschwellköpp’, die entsprechend kleiner und leichter sind.

Fastnacht zu Zeiten des 2. Weltkriegs

Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre zeichnete sich langsam eine freudlose Stimmung ab. Die meisten Narren bekamen einen Maulkorb verpasst. Der bekannte Seppel Glückert wagte trotz allem geschickt verpackte Regimekritik.

„Heil ruft man hier, Heil ruft man dort,
Ein Silbchen nur fehlt diesem Wort,
In allen deutschen Landen
Ist Unheil nur draus entstanden“

– Seppel Glückert 1931

Während des Krieges pausierte die terminierte Fröhlichkeit. Da gab es zu viele andere Probleme und Baustellen. Und auch nach Kriegsende stand den wenigsten Menschen der Kopf nach Fastnacht. Der Wiederaufbau und der Hunger hatten Vorrang.

Dennoch bestanden die französischen Besatzer 1946 darauf, dass die Tradition der Kneipenfastnacht wieder aufgenommen wurden.

Wissenswert! Obwohl Mainz im Krieg stark zerstört wurde, liefen erstaunlich viele Narren in ihren Gardeuniformen auf. Dieser Umstand erklärt sich dadurch, dass die Uniformen zum großen Teil außerhalb der Stadt gelagert worden waren.

Fünf Jahre nach Kriegsende – anno 1950 – zog der Rosenmontagszug unter dem Motto “Lachen spende, Trübsal wende” durch die Mainzer Gassen. Seitdem wurde er nur zweimal abgesagt. 1991 wegen des Golfkriegs und 2016 wegen Sturms.

Zugplakettchen

Nach dem Krieg überlegte man sich, wie man den Rosenmontagszug finanzieren könne und entwickelte Zugplakettchen, die man verkaufte. Anfangs waren diese aus Blech, später aus Plastik und inzwischen sind sie dreidimensional. Jedes Jahr gibt es eine neue Umhängeplakette. Im Fastnachtsmuseum sind sämtliche Varianten ausgestellt.

Die Eulen-Bütt

Andreas Gladden in der Bütt mit den Leuchtaugen

Meine ReiseEule hat natürlich gleich mit der Eulenbütt angebandelt. Die Bütt in Form einer Eule hat eine lange Tradition. Eine Bütt ist im Prinzip ein aufgeschnittenes Fass. In Mainz ist es mit einer riesigen Eule verziert. Die Eule gilt als Symbol der Weisheit, in diesem Fall zur Verkündung närrischer Weisheiten.

Erkennst du die ReiseEule? Schau ganz genau hin

Übrigens darf jeder Besucher sich die Narrenkappe aufsetzen und in die Bütt stellen. Selfies sind erlaubt. Reden halten selbstverständlich auch.

Es gibt noch viel mehr im Fastnachtsmuseum zu entdecken. Von Rolf Brauns Hornbrille bis zu den berühmtesten Rednern der Neuzeit. Das Museum macht einfach Spaß, weil es interaktiv ist. Es gibt Kästchen mit versteckten Informationstafeln, Ordner mit historischen Fakten und vieles mehr. Alle Exponate die nicht hinter Glas gesichert sind dürfen angefasst und bestaunt werden. Für Kinder gibt es eine extra Kinderecke, bei der ein Film mit den Kinderfastnachtsumzügen läuft.

Bei einer Kampagne wurde für das Museum sogar ein Lied getextet. Ich vermute, es wurde während der MCC-Sitzung 2014 vorgetragen.

Lied “Unser Fastnachtsmuseum” – Melodie: Am Golf von Biskaya

1. Bei uns in der Altstadt, ein bisschen versteckt,
hat selbst jeder Mainzer es noch nicht entdeckt.
D‘rum wird hier beschrieben, wo’s ist, wie man’s find’,
das Fastnachtsmuseum, ein echt Määnzer Kind.
Refrain:
Dort wo unser Dichterfürst Schiller zu sehen,
muss man Richtung Proviant-Magazin gehen.
: Und am Ende des Baues steht ein Kleppergardist,
da geht man die Tür ‘rein und da ist man, wo’s ist. :


2. Hier zeigt man die Könner der Fastnacht in Mainz
der „Mutter Moguntia“ am Ufer des Rheins.
Kurzum, man sieht alles, was Fastnacht betrifft
in lebenden Bildern, in Wort und in Schrift.
Refrain:
Orden und Kostüme aus vielen Epochen,
Filme von den närrischen Fassenachts-Wochen.
: Auch die Vielzahl der Narren, deren Ruhm nicht vergeht,
sieht man im Museum, wenn dort Runden man dreht. :


3. Ob Till oder Bajazz, ob’s Margittche gar,
ob Hofsänger, Lerchen, Ernst Neger ganz klar.
Das Putzfrauen-Duo, Rolf Braun mit viel Fleiß,
sie sind all‘ zu sehen in bunt und schwarz-weiß.
Refrain:
Wenn auch das Museum ein bisschen versteckt ist,
aber jetzt die Neugier auf all’ das geweckt ist.
: Ja, dann geht doch mal hin in diese närrische Schau!
Auf’s Fastnachtsmuseum jetzt ein donnernd‘ Helau! :

Lied Nr. 2 Toni Franko

Allgemeine Informationen

Mainzer Fastnachtsmuseum, Neue Universitätsstrasse 2, 55116 Mainz

Öffnungszeiten: Di – So 11 – 17 Uhr, an gesetzlichen Feiertagen geschlossen, 24.12. – 31.12. geschlossen, an Fastnacht gesonderte Öffnungszeiten

Eintrittspreise: Erw € 2,50 Kinder, Studenten, Ermäßigte € 1,50 Führungen Eintrittspreis p.P. + € 15,-

Ausführliche Infos auf der Homepage, helau@mainzer-fastnachtsmuseum.de

Dieser Beitrag ist Bestandteil meiner eigenen Blogparade “Mein liebstes Museum”. Welche Museen in Deutschland, Österreich oder der Schweiz magst du ganz besonders? Reiche deinen Beitrag noch bis 30. September 2019 ein. Alle Informationen zur Blogparade findest du unter dem Link.

2 Kommentare zu „Zu Besuch im Fastnachtsmuseum“

  1. Eine spannende Geschichte! Ich war als Kind selber im Karnvealsverein, allerdings in Mülheim/Ruhr und nicht in Mainz. Es war auch nie so, dass ich da total drin aufgegangen bin, aber ich bin dem Karneval gegenüber sehr wohlgesonnen. Deshalb habe ich den Beitrag auch sehr gerne gelesen. Schwellköppe sind jetzt sogar ein für mich neuer Begriff, aber wie gesagt, ich mag Karneval, aber bin da nicht weiter aktiv und habe mich auch nie richtig dafür begeistern können, im Erwachsenenalter wieder aktiver zu werden. Ich bin einmal als Teil des Hofstaates den Kinderprinzenpaaren auf dem Umzug mitgefahren, das reicht mir dann auch.

Hau in die Tasten! Ich freue mich sehr über einen konstruktiven Text von dir.

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