Fachwerk, Hexen und eine Kaiserpfalz
Liebst du FachwerkstĂ€dte ebenso wie ich? In Hessen gibt es etliche KleinstĂ€dte, die durch freigelegtes Fachwerk brillieren. Dazu gehört Gelnhausen, eine Kleinstadt mit 24.268 Einwohner (Juni 2024) im Main-Kinzig-Kreis. Bisher kannte ich die Stadt nur namentlich und hatte wenig Vorstellung, was mich dort erwarten wĂŒrde.

Die Stadt zu erkunden stand gar nicht auf meinem Plan. Ich musste beruflich im September 2024 dorthin und da ich noch eine Stunde Zeit vor meinem Termin hatte, nutzte ich die Gunst der Stunde und das spĂ€tsommerliche Wetter fĂŒr einen kleinen Rundgang. Und ich kann dir verraten, dass man innerhalb einer Stunde die meisten SehenswĂŒrdigkeiten abklappern kann. Um sie intensiver zu betrachten und zu erleben, solltest du mehr Zeit einplanen. Das lohnt sich.
In der Geschichte Gelnhausens gibt es dunkle Kapitel der Hexenverfolgung, an die man noch heute erinnert wird. Gelnhausen und Barbarossa – darin erinnert die Kaiserpfalz. Und es gibt noch einige prominente BĂŒrger der Stadt, auf die man beim Stadtrundgang stöĂt.
Barbarossastadt Gelnhausen
Nur 5 deutsche StĂ€dte fĂŒhren den Titel Barbarossastadt. Eine davon ist Gelnhausen. 1170 grĂŒndete Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa, die Stadt am FlĂŒsschen Kinzig. Doch nicht der Fluss war ausschlaggebend fĂŒr die Lage, sondern in diesem Gebiet kreuzte sich die Via Regia, eine wichtige HandelsstraĂe mit anderen Handelswegen. Aus drei kleinen Ortsteilen wurde eine Reichsstadt. Und weil die StadtvĂ€ter den Kaufleuten Zollbefreiung und andere Privilegien zusagten, florierten die GeschĂ€fte bereits kurz nach GrĂŒndung der Stadt.
SehenswĂŒrdigkeiten in Gelnhausen
Ich nehme dich auf meinen ganz persönlichen Stadtrundgang mit. So wie ich gelaufen bin und die Attraktionen aufgesucht habe. Vielleicht war das nicht unbedingt der kĂŒrzeste Weg. Wenn du etwas planvoller vorgehen willst, findest du in der Tourismusinformation Flyer, StadtfĂŒhrungsangebote und RoutenvorschlĂ€ge. Per QR-Code kannst du dich durch die Stadt navigieren.
Parkmöglichkeit in der NĂ€he zur Altstadt: Parkhaus Stadtmitte fĂŒr ⏠0,50/30 min
Zuerst ging ich links neben der Parkhauseinfahrt in Richtung Kaiserpfalz. Diese ist ausgeschildert. Dabei ĂŒberquert man die Kinzig ĂŒber die Martha-Schneider-BĂŒrger-BrĂŒcke.

Kaiserpfalz
LandlĂ€ufig nennt man die Kaiserpfalz auch Barbarossaburg. Vermutlich veranlasste Barbarossa selbst den Bau der reprĂ€sentativen Anlage auf der Insel. UrsprĂŒnglich handelte es sich um eine Wasserburg. Nur 10 Jahre nach StadtgrĂŒndung fand in der Kaiserpfalz ein wichtiger Reichstag statt, bei dem man Heinrich dem Löwen in dessen Abwesenheit den Prozess machte. Er wurde als MajestĂ€tsverbrecher verurteilt und seine LĂ€ndereien wurden neu aufgeteilt.

Die Kaiserpfalz ist heute eine Ruine und dennoch die besterhaltene staufische Pfalz. Sie kann besichtigt werden und in den GemĂ€uern gibt es ein Museum. Leider hatte ich fĂŒr einen ausfĂŒhrlichen Besuch keine Zeit.
Haintor
Das spĂ€tmittelalterliche Haintor ist sozusagen neben der Kaiserpfalz zu finden und ist der Zugang zur Insel. FrĂŒher wohnte in einem Fachwerkaufbau, den es nicht mehr gibt, der TorwĂ€chter.

Nachdem ich diese beiden SehenswĂŒrdigkeiten angesehen hatte, ging ich zurĂŒck, um nun die Altstadt zu erkunden. Dazu lief ich bis zur Sparkasse, ĂŒberquerte die StraĂe und ging dann die Schmidtgasse hoch. Dort traf ich auf das folgende GebĂ€ude.
Geburtshaus des Simplicissimus-Autors
Wo heute ein Hotel steht, wurde der Dichter Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen Anfang des 17. Jahrhunderts geboren. Sein bekanntestes Werk ist Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch. Jener Simplicissimus wuchs als einfĂ€ltiger Viehhirte auf und lernte spĂ€ter bei einem Einsiedler Lesen und Schreiben. Er musste erkennen, dass er gar kein Waisenkind, sondern der Neffe des Gouverneurs ist, genoĂ erst dessen Gunst und verlor sie wieder und ĂŒber viele Umwege meisterte er sein abenteuerliches Leben. Ich erinnere mich, dass wir das Buch in der Schule gelesen haben und es als interessant empfunden habe.

Im Geburtshaus befindet sich nicht nur das Hotel, sondern auch die Stempelstelle des Jakobswegs.
Ich ging weiter bergauf und traf nun auf den Untermarkt. Sehr schade, dass dieses Gebiet keine FuĂgĂ€ngerzone ist. Daher sind auf den Fotos immer Autos zu sehen, die teilweise „wild“ parkten.
Das Romanische Haus
Das Romanische Haus dient zur Zeit der evangelischen Kirchengemeinde als Gemeindehaus. In der Vergangenheit im 15. Jahrhundert beherbergte das GebÀude das Rathaus. Gebaut wurde es 1180 und es diente als Amtssitz des Vogtes.

Die untere Reihe der markanten Rundbogenfenster wurde erst in der neuromanischen Zeit zugefĂŒgt. VorrĂŒbergehend wurde auch Fachwerk angebracht, dass man spĂ€ter wieder entfernte.
Marienkirche
Hinter dem Romanischen Haus lugen die TĂŒrme der evangelischen Marienkirche hervor. Diese wurden aus GelnhĂ€user Sandstein im romanisch-gotischen Stil erbaut. Die ĂŒppige Innenausstattung erinnert daran, dass diese Kirche ursprĂŒnglich katholisch war, bis die Stadt im 16. Jahrhundert den Lehren Luthers folgte und sich reformierte.

Via Regia
Mein Weg fĂŒhrte mich vom Untermarkt zum Obermarkt. Die Petersiliengasse entlang und dann in die ehemalige HandelsstraĂe des Römischen Reichs: Via Regia, die heutige Pfarrgasse. Die StraĂe verengte sich an dieser Stelle durch die dichte Bebauung. Daher durften die Kutschen und Wagen maximal so beladen werden, dass sie dieses Nadelöhr passieren konnten.


LaternenanzĂŒnder vor dem Rathaus

Von der Pfarrgasse lief ich weiter zum Obermarkt. Dort traf ich auf die Skulptur des LaternenanzĂŒnders. FrĂŒher war dies ein wichtiger Beruf. Der LaternenanzĂŒnder ging abends durch die Stadt und zĂŒndete alle StraĂenlampen, die meist mit Gas betrieben wurden, an. Und morgens wurden sie wieder gelöscht.
Leider darf auch der Obermarkt befahren werden. Gelnhausen wĂ€re noch schöner, wenn die Altstadt eine FuĂgĂ€ngerzone wĂ€re.
Peterskirche und Hildegard von Bingen Garten
Jetzt ging es die StraĂe Obermarkt entlang, mit Blick auf die TĂŒrme der Pfarrkirche St. Peter (genannt Peterskirche), die ich erreichen wollte. Womit ich nicht gerechnet hatte, war der wundervolle KrĂ€utergarten der Hildegard von Bingen vor dem Kirchenportal. Da musste ich natĂŒrlich zuerst durchschlendern, mir die TĂ€felchen durchlesen und das wĂŒrzige Aroma mit der Nase erfassen.


Die schlichte Eleganz im inneren der Kirche ist eine Augenweide. Das war nicht immer so, denn die RĂ€ume wurden schon als Lagerraum, Lazarett und Zigarrenfabrik genutzt, bevor man sie Anfang des letzten Jahrhunderts renovierte und dem eigentlich Zweck zufĂŒhrte.
Phillip Reis Geburtshaus
Johann Phillip Reis wurde am 7. Januar 1834 in der Langgasse in Gelnhausen geboren. Sein Vater Karl Sigismund Reis war BÀckermeister, seine Mutter Marie Katharine Reis geb. Glöckner starb ein Jahr nach der Geburt Phillips. Reis wurde Physiker und experimentierte mit einem Ohrmodell aus Holz. Dabei entdeckte der, dass das Trommelfell Schwingungen aufnehmen kann und diese weiterleitet. So kam er auf die Idee des Telefonapparats. SpÀter wurde sein Modell durch Alexander Graham Bell weiterentwickelt.

Hexenturm
UrsprĂŒnglich diente der Hexenturm am Fratzenstein als Munitionslager. Zur Zeit der Hexenprozesse wurden hier ĂŒberwiegend weibliche Hexen, aber auch einige Zauberer und sogar Kinder, die man der Hexerei anklagte, gefangen gehalten. Der Turm hat einen Durchmesser von 9 Metern und ist 24 Meter hoch.

Planst du einen Ausflug nach Gelnhausen? Dann schau auf der Homepage der Stadt vorbei. Dort findest du alle wichtigen Informationen.
Meine Heimatstadt Melsungen in Nordhessen ist ebenfalls eine wundervolle, sehenswerte Fachwerkstadt. Lies hier mehr darĂŒber.


Liebe Liane,
was fĂŒr ein hĂŒbscher Ort. Von dem habe ich vorher noch nie etwas gehört. Jetzt steht er auf alle FĂ€lle auf meiner Liste mit möglichen Reisezielen. SchlieĂlich ist Hessen ja gar nicht so weit weg. Vielen Dank fĂŒr deine EindrĂŒcke.
Viele GrĂŒĂe
Annette
Vielen Dank fĂŒr diesen wunderbaren Bericht. Ich kannte den Ort bisher nicht, aber ein Besuch scheint wirklich lohnend zu sein, denn ich mag FachwerkhĂ€user sehr. Wenn wir zum Rursee fahren, sehen wir in der Eifel unterwegs auch FachwerkhĂ€user, allerdings nicht so schön hergerichtet wie in Gelnhausen. LG Marie
Wusste gar nicht dass die da auch ne Kaiserpfalz haben.
Kenne nur Goslar.
Da muss ich ja meine FB Freundin die aus Gelnhausen kimmt zu befragen oder ihren Gottergatten.đ