Wenn die Kultbar nicht mehr ins neue Stadtkonzept passt…

Die Kultbar soll weg…

Heute muss ich meinem Frust mal Luft machen. Steigende Touristenzahlen haben für manche Regionen durchaus ihr Gutes. Manche Projekte, die mangels Geld auf Eis lagen, können endlich durch steigende Einnahmen umgesetzt werden. Doch jede Medaille hat ihre zwei Seiten, denn oft sind die Projektplaner der Ansicht, dass bestehendes nicht mehr ins neue, “schönere” (?) Stadtbild passt und dann rollen Köpfe.

Die Kultbar Olá Brasil in Santa Maria auf Sal/Kapverden

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Sagenhafter Ausblick von der Strandbar Olá Brasil

Letztes Jahr war ich mit meinem Schatzl auf der Insel Sal. Er kennt diese kapverdische Insel schon länger und liebt sie. Besonders die Lebensart der Kapverdianer, deren Motto “No Stress” ist, läßt ihn sofort runterfahren und der Urlaub beginnt spätestens mit betreten des Strandes.

Obwohl ich gerne aktiv im Urlaub bin, habe ich mich für relaxte Stunden am Strand und am/im Meer begeistern können. Ganz viel dazu beigetragen hat die örtliche Strandbar.

Caipi2

Viele Nachmittage haben wir hier gesessen und die besten Cocktails der Insel genossen. Legendär ist die Caipirinha, die zur Hälfte bis 3/4 aus Cachaça besteht. Spätestens dann weiß man, warum die Bar Olá Brasil heißt.

Doch nicht nur die Cocktails und die leicht scharfen Knabbereien machen das Flair dieses Ortes aus. Das einzigartige ist die bunte Multikultimischung, die sich hier trifft. Alle Nationalitäten – von Kapverdianern zu Portugiesen, von Deutschen zu Briten, von Brasilianern bis Australier – sitzen gemeinsam an den wackeligen Tischen und kauderwelschen. Die Bar ist ein Treffpunkt für Jedermann. Man toleriert und respektiert sich. Man lacht gemeinsam und redet mit Händen und Füßen. Die Besitzer und Angestellten sind immer freundlich und zu einem Schwätzchen aufgelegt.

Umstrukturierung der Promenade

Nie habe ich den Eindruck gehabt, dass die Menschen hierher kommen um zu “saufen” und dann Randale zu machen. Jeder genießt einfach seinen Sundowner, bevor man wieder seiner Wege zieht. “Unser Wohnzimmer” wird es gerne von den Touristen genannt.

Screenshot (90)
Screenshot mit freundlicher Genehmigung von Ralf Uhlig

Klar wurde immer mal wieder die fehlende oder schadhafte Befestigung der Strandpromenade und der Hauptstraße moniert, aber dem Urlaub war dies nie abträglich. Es muss nicht immer alles perfekt sein.

Zuerst wurde der Marktplatz umgestaltet. Er ist nun sauber, trocken und clean. Fast schon steril. Landestypisch ist er nicht. Leider. Nett ist wohl das richtige Wort dafür. Aber wie man ja weiß, ist “Nett” die kleine Schwester von “Scheiße”.

Marktplatz
Neuer Marktplatz in Santa Maria

Ein Fauxpas steht jedem Ort zu. Das kann man akzeptieren und/oder ignorieren. Das nächste Projekt wurde vor kurzem beendet. Die Hauptstraße wurde umgestaltet und mit modernen Straßenlaternen gesäumt. Aber der Rundumschlag geht noch weiter. Zum modernen Santa Maria passt nun der kultige Kiosk Olá Brasil an der Strandpromenade nicht mehr, denn auch diese soll planiert und asphaltiert und dem neuen Stadtbild angepasst werden. Er stört scheinbar das Bild der fortschrittlichen Stadt. Mit einem Pool direkt am Meer ist scheinbar mehr Kohle zu machen.

Warum es einen Pool geben soll, wenn ich glasklares Meerwasser vor der Haustür habe und jedes Hotel sowieso bereits einen oder mehrere Pools auf dem Gelände hat, erschließt sich mir nicht. Aber was weiß ich schon???

Ist die Bar nun den Touristen ein Dorn im Auge oder doch nur den Verantwortlichen?

Man forderte die Besitzer auf, die Bar innerhalb von 2 Wochen zu schließen. Zum Glück regt sich Protest. Viele Menschen wollen, dass dieser landestypische Kiosk erhalten bleibt und haben eine Petition gegen die Schließung initiiert. Das Postfach der Verantwortlichen muss überquellen. Noch besteht die Chance, dass dieses Desaster abgewendet wird. Eine eigene FB-Gruppe “Rescue Santa Maria’s Brazilian Bar” soll das Unglück noch abwenden. Innerhalb weniger Tage hat die Gruppe bereits fast 1000 Mitglieder aller Nationen gewonnen, die sich gegen die Umstrukturierung wehren.

Das Olá Brasil steht exemplarisch für viele andere Örtlichkeiten auf der Welt. Daher bitte ich euch diese Petition mit zu unterzeichnen. Auch euer Lieblingscafe, -bar, -restaurant auf der Welt könnte betroffen sein. Helft mit ein Zeichen zu setzen. Tretet in die Gruppe ein. Die Hashtags #weareallkioskolabrasil und #somostodoskioskolabrasil dürfen gerne verwendet werden. Wehren wir uns gegen profitgeile Projekte! Unterstützen wir die Menschen, die ihre Existenz verlieren werden. Menschen, die mit Leidenschaft ihrer Berufung nachgehen.

Was könnte noch passieren?

Der nächste Dorn im Auge ist vielleicht der Pier, an dem jeden Tag die Fischer ihre Fänge feilbieten. Dann bricht die komplette Infrastruktur zusammen. Womit sollen die Menschen auf den Kapverden dann ihren Lebensunterhalt verdienen? Das kann es nicht sein. Weder auf Sal noch sonstwo! Wir fliegen doch nicht in ferne Länder, um das zu haben und zu sehen, was wir in jeder Industrienation sehen können.

Wir wollen die Einzigartigkeit, das Besondere, das “5malgeradeseinlassen” und das Laissez-faire!

Vielen Dank, dass du diesen Artikel gelesen hast. Ich danke jedem, der hilft die Olá Brasil Bar zu erhalten. Ich möchte im Dezember dort wieder meine Cocktails trinken und eine wundervolle Zeit verbringen. Rettet den Kiosk!

Wer mag darf mir gerne einen Kommentar hinterlassen. Der Beitrag darf sehr gerne geteilt werden.


Transparenzhinweis* Die Reise war selbst geplant und gebucht. Niemand hat mich beauftragt darüber einen Bericht zu verfassen. Ich wurde nicht dafür bezahlt. Ich habe keinen geldwerten Vorteil erhalten. Die Beurteilung ist allein auf meinem „Mist“ gewachsen und daher gebe ich auch nur meinen persönlichen, subjektiven Eindruck wieder.

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Liane und Herr R.

Willkommen. Ich bin Liane und die Gründerin und Wortjongleurin des Reiseblogs DieReiseEule.
Herr R. ist nicht nur mit mir verheiratet, sondern auch mein Co-Fotograf für ungewöhnliche Blickwinkel.

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16 Kommentare zu „Wenn die Kultbar nicht mehr ins neue Stadtkonzept passt…“

  1. Genau solche Fleckchen machen doch die Einzigartigkeit eines Ortes aus…
    Das Besondere, den Flair, die Herzlichkeite…
    Warum man so etwas mit aller Macht zerstören muß verstehe ich auch nicht?! 🙁

    Liebe Grüße
    Tanja

    1. Ich verstehe es auch nicht. Und 20 Jahre später merken sie es und dann soll alles rückgängig gemacht werden, nur dann wird da meist nichts mehr…

  2. Barbara (Barbaras Spielwiese)

    Hallo Liane,
    oh wie schade! Ich kenne Sal bzw. Santa Maria von einem Urlaub 1999 (wie die Zeit vergeht, fast 20 Jahre ist das her!) und mir geht’s so wie Du schreibst, Kapverden, ankommen, entspannen, no stress. Damals gab’s auch schon einige Hotels mit Pools, aber inzwischen ist es wegen der Nähe zu Europa und ohne Zeitverschiebung natürlich mehr vom Massentourismus eingenommen. Das hat Vor- und Nachteile.
    Dieser künstliche Hauptplatz sieht ja traurig aus. Und die weiteren Änderungen… So verliert der Ort echt seine Seele.
    Liebe Grüße
    Barbara

  3. Liebe Liane,
    Ich kann deinen Ärger total verstehen. Es muss nicht immer neuer und hipper sein, ich liebe auch Lokale mit einer gewissen Patina und Historie.
    Ich drücke dir die Daumen, dass deine liebste Bar erhalten bleibt.
    Viele Grüße von Sanne

  4. Mannomann, das ist eine wirklich traurige und bedenkliche Entwicklung, die ich aber leider allzu oft auch schon miterleben durfte auf Reisen. Es ist ein Für und Wieder. Der grundsätzliche Gedanke dahinter ist vielleicht gar nicht sooo verkehrt, immerhin leben viele ja auch vom Tourismus und man möchte in gewisser Weise ja auch “attraktiv” bleiben für die kommenden Urlauber. Leider wird dann häufig übers Ziel hinaus geschossen, wie hier in Deinem Beispiel. Immer schade, wenn man so etwas mit erlebt dann. Da passt dann der abgedroschene Spruch “Früher war einfach alles besser”. Da steckt leider viel zu oft sehr viel Wahrheit drin.

  5. Leider eine unschöne Entwicklung, die ich auch immer wieder mal beobachte. Oft haben Verantwortliche ein “konzept”, das auf Biegen und Brechen umgesetzt werden muss. Und am Ende sind weder die Einheimischen noch die Stammgäste zufrieden. Nur die neuen Gäste, die störts ja nicht. Die kennen es nicht anders.

  6. Ich finde es auch schade, dass sowas cooles dem Kommerz weichen muss.
    Auch wenn ich die Bar selbst nicht kenne, habe ich sehr gerne an der Petition teilgenommen.
    Ich hoffe, diese bringt irgendetwas.

    <3

  7. Liebe Liane,
    es ist einfach nur schade, so etwas lesen zu müssen.
    Da funktionieren Ideen um zerstört zu werden, weil andere Dinge mehr Geld einbringen können.
    Traurig und leider die Realität. Es geht fast immer um Profit und nicht die Menschen.
    Liebe Grüße, Katja

    1. Hallo Katja,

      leider ist das wohl der Trend der Zeit. Ich finde es auch traurig.

      Liebe Grüße
      Liane

  8. Hallo Liane,

    wie schade ist das denn bitte!
    Deinen Ärger kann ich sehr gut verstehen, das würde mir genau so gehen und ist mir auch schon mal anderenorts sauer aufgestoßen.
    Es sind doch eigentlich die alt eingesessenen und liebevoll geführten Lokale und Angebote, die wir gerne und aus Überzeugung nutzen.

    Liebe Grüße
    Isabel

    1. Danke für die liebe Anteilnahme. Ja, leider scheint das der Puls der Zeit zu sein. Sehr traurig.

  9. Oh Mann, das ist so typisch für unsere Welt!
    Dass mit so etwas der Charakter eines Ortes völlig umgekrempelt wird und seinen ursprünglichen Charme verliert ist so traurig. Wahrscheinlich stecken ein paar kapitalstarke Unternehmen dahinter, die das große Geld wittern.

    Ich drücke die Daumen, dass der Protest etwas bewirkt.

    Liebe Grüße Gina

  10. Nicht zu vergessen, dass die Bar Arbeitsplatz für 8 Kapverdier ist, ganz zu schweigen von White und seiner Familie, die den Kiosk mit sehr viel Arbeit über Jahre hinweg verbessert, vergrößert und trotzdem charmant gehalten haben.

    Den Hauptplatz in Santa Maria mit seinen schon nach 7 Monaten nicht mehr funktionierenden “Jumping Jet Fountains” und den mickrigen, weil nicht genug gewässerten, Palmen (wie auch, ist doch ne Wüsteninsel!) haben die Verantwortlichen gründlich vergeigt. Für den Pier, der seit Jahren ohnehin zu kurz ist und im Hurrikan vor 3 1/2 Jahren auch noch schwer beschädigt worden war, ist kein Geld da, um ihn zu verlängern – was dazu führt, dass Boote nicht in Ruhe be- und entladen werden können und dadurch beschädigt werden. Ein Upgrade des Piers würde vielen zu Gute kommen.

    Dass die Strandpromenade eine Stolperfalle ist, stimmt schon. Dass sie mit viel Geld erneuert werden soll, ist meiner Meinung nach auch in Ordnung, aber dass unser Kiosk deshalb geschlossen werden soll, kann ich nicht nachvollziehen. Deshalb sind wir für jede Unterschrift unter unserer Petition dankbar. Gemeinsam schaffen wir es hoffentlich, den Kahlschlag des kapverdischen Flairs zu verhindern! Dankeschön an alle, die helfen :*

    1. Ich merke, dir stößt auch vieles bitter auf. Die Verantwortlichen sollten den Fokus lieber auf das wesentliche lenken (Pier usw.), als sich an einer Begegnungsstätte aufzugeilen.
      Ich hoffe, ich konnte mit meinem Artikel noch ein paar Leute aufrütteln und zum Unterschreiben der Petition animieren. Ich freue mich so auf meinen nächsten Urlaub auf Sal und möchte unbedingt wieder ins Olá Brasil.

      Liebe Grüße
      Liane

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